Der Bücherblog

Autorenarchiv

Daniel Kehlmann: Die Vermessung der Welt

Dieses Buch lebt von den zwei völlig unterschiedlichen und doch gleichermaßen verschrobenen Hauptpersonen mit der gemeinsamen Leidenschaft Maß zu nehmen. Der große Mathematiker Professor Gauß, der seit Ewigkeiten nicht mehr aus seiner Stadt Göttingen heraus gekommen ist und dort jeden Hügel mit größter Pingeligkeit vermessen hat auf der einen und der Naturforscher Alexander von Humboldt auf der anderen Seite. Der wiederum hat die entlegendsten Winkel der Erde besucht und dort die Ungenauigkeit der bisher verwendeten Karten aufgedeckt, hat sein Leben riskiert um am Amazonas einen bedeutungslosen, entlegenen Kanal zu finden von dem er gehört hatte.

Im gesetzten Alter lädt also Alexander von Humboldt Professor Gauß zu einem Kongress nach Berlin ein, der wollte erst gar nicht hinfahren und überwindet sich dann doch. Während seiner Reise dorthin werden in Rückblicken die beiden verschrobenen und etwas weltfremden Männer und ihre Leidenschaft für die Vermessung der Welt vorgestellt. Und trotz dieser gemeinsamen Leidenschaft merkt der Leser bei der Beschreibung ihrer völlig unterschiedlichen Lebensläufe, dass hier zwei Welten aufeinander treffen werden – auch wenn beide gut vermessen sind. Das ganze gipfelt dann in der ersten persönlichen Begegnung zwischen den beiden großen Männern, die vor Witz und Charme nur so sprüht.

Auch wenn hier zwei Wissenschaftler in ihrer wissenschaftlichen Arbeit vorgestellt werden lässt sich das Buch auch für den Nichtmathematiker hervorragend lesen. Zum einen weil aus dem Zusammenhang immer hervor geht um was es in ihrer Arbeit geht, zum anderen weil diese Arbeit nicht im Vordergrund steht, wichtig sind  vor allem die Charaktere und die könnten besser und lebendiger nicht beschrieben sein.

Neil Gaiman: Niemalsland

Was, wenn es außer dem London dass wir kennen noch ein anderes gäbe? Ein Unterlondon in verlassenen U-Bahnhöfen und Geisterzügen, Katakomben und Kanälen in dem die seltsamsten Gestalten hausen? In diesem Buch gerät der junge Geschäftsmann Richard Mayhew höchst unfreiwillig in diese bizarre Welt nachdem er einem verletzten Mädchen auf der Straße hilft. Und als er in sein altes Leben zurückkehren will stellt er fest, dass er dort nicht mehr zu existieren scheint, also stolpert er erst mal reichlich unbeholfen durch das fremde und gefährliche Unterlondon. Begleitet wird er dabei von der jungen Door, deren Familie kurz vorher von zwei skurrilen Auftragskillern ermordet wurde sowie dem Marquis de Carabas der scheinbar mit jeder Art von „Gefallen“ handelt.

Die Idee dieses Buches finde ich faszinierend und die Umsetzung ist wirklich gut, ich habs gerne gelesen und kann es nur empfehlen. Wenn dem einen oder anderen einiges davon bekannt vorkommt hat er vielleicht mal Bücher von Christoph Marzi gelesen. Der hat einige Bände geschrieben die auf der gleichen Grundidee der Stadt unter der Stadt aufbauen und das erste davon, Lycidas, hat auch viele inhaltliche Parallelen mit Niemalsland. Darüber werde ich noch schreiben.

Niemalsland ist im Rahmen einer Fernsehproduktion der BBC entstanden, Neil Gaiman hat die Geschichte mit dem Fernsehteam für eine Serie entwickelt die auf Englisch unter dem Titel Neverwhere erhältlich ist. Der Autor hat das ganze dann zusätzlich noch als Roman herausgebracht.

J. D. Salinger: Der Fänger im Roggen

Dies ist ein typisch amerikanischer Klassiker. Er ist aus Sicht eines 22-jährigen aus wohlhabendem Hause geschrieben, der zum wiederholten Mal von der Schule fliegt. Er will den Seelenzustand eines jungen Menschen in einer Phase der Orientierungslosigkeit beschreiben der unzufrieden ist mit so ziemlich allem, seinen Lehrern, seinen Mitschülern, allen anderen Leuten um sich herum. Er flucht innerlich über alles und jeden, alle kommen ihm wie Idioten vor und er selbst sich genauso. In der Schule hat er sich keine Mühe mehr gemacht, ist auch nach mehreren Verwarnungen bei seiner Verweigerungshaltung geblieben. Als er schließlich vor Weihnachten mitgeteilt bekommt dass er nach den Ferien nicht mehr wieder zu kommen braucht reist er zwei Tage früher als geplant in seine Heimatstadt New York. Die Erlebnisse in diesen zwei Tagen bis er sich traut in die Wohnung der Eltern zurück zu kehren nehmen einen großen Teil des Buches ein, er verbringt diese Zeit hauptsächlich damit sich über seine Mitmenschen aufzuregen und sich dabei selbst wie ein Idiot aufzuführen. Und damit bin ich auch schon bei meinem Urteil über dieses Buch:

Es gibt bestimmt Menschen die sich selbst im Ich-Erzähler wiederfinden und die sich im entsprechenden Alter genauso gefühlt haben. Aber es ist so übertrieben dargestellt dass zumindest ich mich nicht mit dem jungen Mann identifizieren kann. Ich habe aber allgemein keinen wirklichen Draht zu diesen typisch ostküsten-amerikanischen Schriftstellern mit ihren Psychostudien über gescheiterte Existenzen. Ich konnte schon mit William Tennessees Endstation Sehnsucht nichts anfangen und genauso wenig mit Arthur Millers Tod eines Handlungsreisenden usw. Ich finde diese Bücher ehrlich gesagt eher langweilig und dieses macht da keine Ausnahme.

Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter

„Natürlich hatte ich eine unglückliche Kindheit; ein glückliche lohnt sich ja kaum. Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche irische Kindheit, und noch schlimmer ist die unglückliche irische katholische Kindheit.“

Die Erinnerungen des Autors an seine Kindheit die er in erbärmlichster Armut verbracht hat sind traurig und erschreckend und gleichzeitig voller Witz, Humor und sprühender Lebensfreude.

Er wurde in Amerika geboren aber schon früh flohen seine Eltern vor der Armut in ihre Heimat Irland. Sie hofften dort bei ihresgleichen und in der Nähe ihrer Familien ein besseres Leben führen zu können, statt dessen stürzten sie in noch größeres Elend.

Seine Mutter gebiert insgesamt sieben Kinder, von denen sie gerade mal vier durchbringen kann, dafür bringt der Vater jede Woche seinen gesamten Wochenlohn in der Kneipe durch, weil er hoffnungsloser Trinker ist der die Finger nicht von der Pint lassen kann, während zuhause seine Kinder hungern.  Die Familie wohnt in heruntergekommenen Häusern ohne elektrisches Licht, da sie kein Geld für Brennholz haben verfeuern sie im Ofen sogar die hölzerne Wand die aus der Etage mal zwei getrennte Zimmer gemacht hat.

Die Zukunft der Kinder ist geprägt von Perspektivlosigkeit und der Aussicht sich ihr Leben lang mit den härtesten, schmutzigsten und unbeliebtesten Jobs durchschlagen zu müssen. Frank aber will sich damit nicht abfinden, er hat ein anderes Ziel ins Auge gefasst: zurück nach Amerika um sich dort ein besseres Leben aufzubauen.

Was aus diesen Träumen wird erzählt dann der nachfolgende Band Ein rundherum tolles Land den ich aber noch nicht gelesen habe. Ich denke das wird Herbstlektüre.

Johann Wolfgang von Goethe: Faust

Ein hochgebildeter Doktor in allen Studiengängen der sich immer noch für dumm und unwissend hält, ein teuflischer Dämon in Pudelgestalt und ein Pakt zwischen den beiden von dem sich der Gelehrte endlich die große Erkenntnis erhofft. Was hier klingt wie der Beginn eines kuriosen Fantasyromans ist das Thema des wohl wichtigsten und bekanntesten Werkes der deutschen Literatur. Kaum einer hats gelesen und doch kennt jeder (Vorsicht: Übertreibung) annähernd die Hälfte des Textes als Zitate und „geflügelte Worte“. Aber der Reihe nach:

Doktor Faust hat so ziemlich alles studiert was man studieren kann, von Jura bis zur Medizin. Trotzdem ist er unzufrieden weil er trotz aller Studiererei immer noch nicht das tiefste Wesen der Dinge erkannt hat und das „was die Welt im innersten zusammen hält“, daher hat er sich zuletzt der Magie zugewandt. Er sucht nach einer Art Weltformel wie auch heutige Wissenschaftler wie Stephan Hawking. Bei einem Spaziergang läuft ihm ein Pudel zu der ihm bis nach hause folgt, dort verwandelt sich der Hund in den Teufel Mephistopheles. Er schlägt Faust einen Pakt vor, verspricht ihm zu dienen, allerdings muss Faust widerrum dem Teufel dienen wenn die Zeit gekommen ist.

Im Gefolge dieses Dämons verlässt Faust nun die Studierzimmer die ihm nichts mehr zu bieten haben und stürzt sich in ein Leben voll Lust und Leidenschaft, besucht mit Mephisto Kneipen in denen der Teufel Wein und Feuer aus den Tischplatten regnen lässt, sie reisen zum Brocken in der Walpurgisnacht wo Faust mit Hexen und mit Lilith, der verstoßenen dämonischen ersten Frau Adams tanzt. Und nicht zuletzt verführt Faust mit Mephistos Hilfe die brave Margarete die er damit aus ungebändigter Liebe in Schande stürzt. Im Finale tötet Faust einen Nachtwächter der sich als Margaretes Bruder herausstellt, versucht mit Mephistos Hilfe Grete aus dem Gefängnis zu befreien, sie wird aber von einer anderen Macht vor Mephistos Einfluss gerettet und Faust muss ohne sie dem Teufel folgen.

Eine interessante Story eigentlich, allerdings für uns heute nicht ganz so leicht zu lesen da sie als Theaterstück und komplett gereimt geschrieben ist.Wer davor nicht zurück schreckt sollte sich einfach mal dran versuchen. Vor allem von den ersten beiden Szenen sollte man sich nicht entmutigen lassen, man kann sie auch erst mal überspringen da sie mit der Geschichte nicht direkt was zu tun haben. Man kann also gleich mit dem „Prolog im Himmel“ beginnen in dem der Teufel mit Gott wettet, dass er es schafft den Faust auf seine Seite zu ziehen.

Wer war Doktor Faust?

Erst mal vorweg: Faust hat tatsächlich gelebt, man weiß nicht viel über ihn und das dann meist auch nicht so genau.  Vor allem Jahr und Ort seiner Geburt sind umstritten, am wahrscheinlichsten ist aber wohl dass er 1466 in Helmstadt bei Heidelberg als Georg Faust geboren wurde und an der Universität Heidelberg von 1483 bis 1487 studiert hat.

Nach dem Studium wanderte er als Johann Faust umher und verdiente sein Geld wohl als Arzt, Alchemist, Wahrsager, Doktor der Philosophie und vieles mehr. Als Arzt erntete er durchaus auch Lob für seine Fähigkeiten, aber oft wurde er nur als Hochstapler und Scharlatan angesehen. Vor allem die Kirche hatte er zum Feind, die ihn der Gotteslästerung beschuldigte und einen Pakt mit dem Teufel vermutete. Für viele anerkannte Ärzte und Gelehrte war er vor allem unliebsame Konkurrenz.

Die wissenschaftliche Arbeit die ihn mit der Kirche aneinander geraten ließ soll ihm schließlich den Tod gebracht haben: Laut der Überlieferung hat sich im Jahr 1540/1541 bei alchemistischen Experimenten zu Herstellung von Gold Doktor Johann Faust im „Hotel zum Löwen“ in Staufen in die Luft gejagt. Sein Körper war durch die Explosion so deformiert dass schnell das Gerücht entstand dass sich der Teufel bei seinem Tod seine Seele geholt hat.

Faust in Literatur und Theater

Schon recht früh nach seinem spektakulären Tod wurden die ersten Schriften über Doktor Faust verfasst, er kam darin nicht gut weg, wurde als Scharlatan und Schwarzmagier beschrieben. Immer wieder wurde ihm vorgeworfen mit der Religion gebrochen und sich selbst über Gott und den Glauben gestellt zu haben. Auch ins früher sehr beliebte Puppenspiel und auf Wanderbühnen wurde Faust übernommen, er trat dort meist als eine Art Narr und Bösewicht auf.

In der ernsteren Literatur wurde er später viel positiver dargestellt, auch bei Goethe verbündet er sich zwar mit dem Teufel aber aus verständlichen und nicht verwerflichen Gründen. Sein Zwiespalt zwischen Glaube, Sitte und Anstand und dem Wunsch nach Wissen und Erkenntnis wird zum Hauptthema und er selbst zum Opfer der Verführungen des Teufels.