Der Bücherblog

Archiv für die Kategorie 'Genre'

John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Ich habe beim Lesen eines Buches noch nie soviel gelacht und geweint wie bei diesem.
Es geht um die 16-jährige Hazel Grace, die unheilbar an Krebs erkrankt ist. Weil sie niemanden mit ihrem Sterben verletzen will, zieht sie sich völlig in ihre eigene Welt zurück, die aus Literatur, Americas next Topmodel und Lernen fürs College besteht. Doch dann lernt sie Augustus Waters kennen, der ihr Leben komplett umkrempelt und ihr einen Traum erfüllt, den sie bis dahin nur zu träumen wagte. Mit der Verwirklichung ihres Traumes erlebt sie aber auch gleichzeitig ihre größte menschliche Enttäuschung.

Dies ist kein Krebsbuch in dem die Erkrankung Krebs im Vordergrund steht, sondern die Liebe und das Leben sind das Maß aller Dinge in der Geschichte. Mitleid ist unerwünscht! Erfüllbare und unerfüllbare Wünsche, Hoffnungen und Ermutigungen machen das Buch aus. Ich habe sehr intensiv mit den Protagonisten mitgefühlt.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter ist dem Genre des Jugendbuchs zuzuordnen. Meiner Meinung nach sollten alle Erwachsene das Buch lesen, weil sie hier einen Einblick in die Lebenswelt von Teenagern bekommen, so ungefiltert und authentisch wie ich es bis jetzt noch in keinem Jugendbuch erlebt habe. Ich hoffe meine Tochter wird irgendwann, wenn sie das entsprechende Alter erreicht hat, das Buch lesen.

Ich spreche für diese Buch eine unbedingte Leseempfehlung aus.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter ist im Carl Hanser Verlag erschienen.

Jonas Jonasson: Der Hundertjährige der aus dem Fenster stieg und verschwand

Allan Karlsson lebt in einem schwedischen Altenheim, soll an diesem Tage seinen hundertsten Geburtstag feiern – und hat überhaupt keine Lust darauf. Statt dessen beschließt er seinem Leben wie so oft in der Vergangenheit eine neue Wende zu geben, klettert heimlich aus dem Fenster seines Zimmers im Erdgeschoss und haut ab. Am Busbahnhof lässt er noch einen Koffer mitgehen, den ein unbekannter Mann ihm „zu treuen Händen“ gegeben hat und dann fährt er ins Blaue, soweit das Geld in seiner Tasche reicht.

Das ganze entwickelt sich zu einer Art Roadmovie bei dem sich Allan noch ein paar skurrile Lebenskünstler anschließen, verfolgt von einer kriminellen Rockerbande, die den gestohlenen Koffer will und von der Polizei – weil Allan bei seiner Flucht ein paar Leichen hinterlässt…

Dieser Handlungsstrang wird immer wieder unterbrochen durch Rückblicke auf Allans langes Leben. Als völlig unpolitischer Mensch gerät er immer wieder in die Mühlen der großen Weltpolitik und begegnet auf den kuriosesten Wegen den großen Staatsführern von West- und Ostblock. Dabei versucht er sich eigentlich aus jeder Form von Politik herauszuhalten und verändert doch immer wieder auf seine ganz eigene Art den Lauf der Welt.

Wochenlang Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste, jede Menge sehr guter Kritiken von den verschiedensten Seiten, was soll man zu diesem Buch noch sagen?

Ganz einfach: Lesen!

Patrick Süskind: Der Kontrabaß

Der Kontrabass bildet das Fundament des Orchesters und geht doch im Gesamtklang unter. Der Bassist ist der unauffällige und unscheinbare Hinterbänkler der nie durch Soli glänzen kann. Ein solches Solo ist dieses Buch, eigentlich ein Theaterstück für genau einen Schauspieler. Es ist genial geschrieben und einfach lustig, wenn der Kontrabassspieler über die Hassliebe zu seinem Instrument schwadroniert, die Probleme des Hinterbänklers schildert der in die Topsopranistin verschossen ist und dabei zwischendurch die passenden Platten auflegt.

Allerdings wird dieser Witz wohl für Leser ohne ausreichendes Wissen über klassische Musik nicht nachvollziehbar sein. Es ist für dieses Buch/Theaterstück auf jeden Fall hilfreich sich in diesem Bereich etwas auszukennen, vielleicht sogar selbst ein Instrument zu spielen. Ansonsten bekommt man zwar recht schnell die Strukturen und die Rolle des Bassisten im Orchester mit (und versteht damit die Grundidee der Handlung), aber die Musikbeispiele muss man wenigstens zum Teil kennen und er erklärt sie auch in Musikfachsprache und daher nicht für jeden verständlich.

Hallgrímur Helgason: Eine Frau bei 1000°

Was für ein erster Satz für ein Buch:

Ich lebe allein in einer Garage, zusammen mit einem Laptop und einer alten Handgranate. Wir haben es wahnsinnig gemütlich.

Der Beginn ist amüsant, die Sprache der Ich-Erzählerin derb und entbehrt nicht einer gewissen Komik, auch wenn der Autor es einige Male arg überspitzt, das eigentliche Thema des Buches ist allerdings alles andere als lustig.

Die 81-jährige Isländerin Herbjörg verbringt die Zeit in ihrem Altersdomizil – der ausgebauten Garage einer befreundeten Familie – damit im Internet zu surfen und ihr Leben Revue passieren zu lassen. Während zu Beginn des Buches die aktuelle Situation von Herre, wie sie gerufen wird, und ihres Landes in Zeiten der Wirtschaftskrise im Vordergrund steht, nimmt mit der Zeit die Erinnerung an frühere Zeiten, vor allem des zweiten Weltkrieges immer mehr Raum ein, bis sie sich ganz in der Erzählung verliert.

Ihr Vater, halb Däne und halb Isländer, lässt sich von der Ideologie der Nazis anstecken und reist mit seiner kleinen Familie nach Deutschland um dort in die Armee einzutreten. Daher erlebt Herre den Krieg nicht in der relativen Sicherheit Islands, sondern mitten in Deutschland. Dort irrt sie nach der Trennung von der Mutter durch Städte, über Land und durch den Wald, immer die Handgranate dabei die ihr Vater ihr bei der letzten Begegnung gegeben hatte, damit sie sich wehren kann.

Das Thema zweiter Weltkrieg ist natürlich nicht gerade neu, eine ganze Reihe von Autoren haben sich dem schon angenommen und dementsprechend hat sicher nicht jeder Lust noch ein weiteres Buch darüber zu lesen. Allerdings sticht dieses Buch durch die ungewöhnliche Perspektive und die Erzählweise heraus und bleibt trotz des schweren Themas lesbar. Ähnliches gilt für ein weiteres Buch über das ich auf jeden Fall noch schreiben möchte, nämlich Die Bücherdiebin. Wenn an ein Thema auf so ungewöhnliche Weise heran gegangen wird, kann es dem Leser doch immer noch neues bieten auch wenn dazu schon viel geschrieben wurde.

Daher kann ich das Buch durchaus empfehlen, mit dem kleinen Abstrich den ich oben schon genannt hatte: die derbe Sprache der Erzählerin wirkt meiner Meinung teils doch recht übertrieben.

Sam Savage: Firmin – Ein Rattenleben

Ein Buch über das Lesen und die bedingungslose Liebe zum Buch – aus der Sicht einer Ratte!

Firmin wächst in einer großen Rattenfamilie auf, die geradewegs über einer Buchhandlung lebt. Schon in jungen Jahren wird er in seiner Familie zum Außenseiter. Als schwächster unter den Jungratten bekommt er kaum genug Nahrung ab und fängt an Bücher zu verschlingen, erst wortwörtlich aber mit der Zeit lernt er auch zu lesen und den Inhalt zu „verschlingen“.

Darüber entwickelt er ein enormes Interesse am Leben der Menschen und sucht ihre Freundschaft, insbesondere die des Besitzers der Buchhandlung. Aber so gut er auch lesen kann, sprechen funktioniert einfach nicht und so bleibt es ein einseitiges Interesse und er bleibt für die Menschen doch nur eine Ratte. Ihr merkt schon: das ist nicht „Ratatouille“ wo Mensch und Ratte in gemeinsamer Liebe zum kochen vereint sind, diese Geschichte nimmt eher einen tragischen Verlauf.

Erst sind da die Probleme mit der eigenen lieblosen Familie, dann die unerwiderte Zuneigung zu den Menschen und die unerfüllte Sehnsucht nach Freundschaft, Zuneigung und Respekt. Was bleibt ist die Liebe zum Buch die geradezu zu einer Sucht wird, während die Welt um ihn herum immer einsamer wird.

Dieses Buch eignet sich für jeden, der das Lesen liebt, einen Hang zur Melancholie hat, und über eklige Schilderungen vom Leben in einer Rattenfamilie hinweg sehen kann; ich fands gut, meine Frau konnte es nicht lesen.