Hallgrímur Helgason: Eine Frau bei 1000°
Was für ein erster Satz für ein Buch:
Ich lebe allein in einer Garage, zusammen mit einem Laptop und einer alten Handgranate. Wir haben es wahnsinnig gemütlich.
Der Beginn ist amüsant, die Sprache der Ich-Erzählerin derb und entbehrt nicht einer gewissen Komik, auch wenn der Autor es einige Male arg überspitzt, das eigentliche Thema des Buches ist allerdings alles andere als lustig.
Die 81-jährige Isländerin Herbjörg verbringt die Zeit in ihrem Altersdomizil – der ausgebauten Garage einer befreundeten Familie – damit im Internet zu surfen und ihr Leben Revue passieren zu lassen. Während zu Beginn des Buches die aktuelle Situation von Herre, wie sie gerufen wird, und ihres Landes in Zeiten der Wirtschaftskrise im Vordergrund steht, nimmt mit der Zeit die Erinnerung an frühere Zeiten, vor allem des zweiten Weltkrieges immer mehr Raum ein, bis sie sich ganz in der Erzählung verliert.
Ihr Vater, halb Däne und halb Isländer, lässt sich von der Ideologie der Nazis anstecken und reist mit seiner kleinen Familie nach Deutschland um dort in die Armee einzutreten. Daher erlebt Herre den Krieg nicht in der relativen Sicherheit Islands, sondern mitten in Deutschland. Dort irrt sie nach der Trennung von der Mutter durch Städte, über Land und durch den Wald, immer die Handgranate dabei die ihr Vater ihr bei der letzten Begegnung gegeben hatte, damit sie sich wehren kann.
Das Thema zweiter Weltkrieg ist natürlich nicht gerade neu, eine ganze Reihe von Autoren haben sich dem schon angenommen und dementsprechend hat sicher nicht jeder Lust noch ein weiteres Buch darüber zu lesen. Allerdings sticht dieses Buch durch die ungewöhnliche Perspektive und die Erzählweise heraus und bleibt trotz des schweren Themas lesbar. Ähnliches gilt für ein weiteres Buch über das ich auf jeden Fall noch schreiben möchte, nämlich Die Bücherdiebin. Wenn an ein Thema auf so ungewöhnliche Weise heran gegangen wird, kann es dem Leser doch immer noch neues bieten auch wenn dazu schon viel geschrieben wurde.
Daher kann ich das Buch durchaus empfehlen, mit dem kleinen Abstrich den ich oben schon genannt hatte: die derbe Sprache der Erzählerin wirkt meiner Meinung teils doch recht übertrieben.