Der Bücherblog

Frank McCourt: Die Asche meiner Mutter

„Natürlich hatte ich eine unglückliche Kindheit; ein glückliche lohnt sich ja kaum. Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche irische Kindheit, und noch schlimmer ist die unglückliche irische katholische Kindheit.“

Die Erinnerungen des Autors an seine Kindheit die er in erbärmlichster Armut verbracht hat sind traurig und erschreckend und gleichzeitig voller Witz, Humor und sprühender Lebensfreude.

Er wurde in Amerika geboren aber schon früh flohen seine Eltern vor der Armut in ihre Heimat Irland. Sie hofften dort bei ihresgleichen und in der Nähe ihrer Familien ein besseres Leben führen zu können, statt dessen stürzten sie in noch größeres Elend.

Seine Mutter gebiert insgesamt sieben Kinder, von denen sie gerade mal vier durchbringen kann, dafür bringt der Vater jede Woche seinen gesamten Wochenlohn in der Kneipe durch, weil er hoffnungsloser Trinker ist der die Finger nicht von der Pint lassen kann, während zuhause seine Kinder hungern.  Die Familie wohnt in heruntergekommenen Häusern ohne elektrisches Licht, da sie kein Geld für Brennholz haben verfeuern sie im Ofen sogar die hölzerne Wand die aus der Etage mal zwei getrennte Zimmer gemacht hat.

Die Zukunft der Kinder ist geprägt von Perspektivlosigkeit und der Aussicht sich ihr Leben lang mit den härtesten, schmutzigsten und unbeliebtesten Jobs durchschlagen zu müssen. Frank aber will sich damit nicht abfinden, er hat ein anderes Ziel ins Auge gefasst: zurück nach Amerika um sich dort ein besseres Leben aufzubauen.

Was aus diesen Träumen wird erzählt dann der nachfolgende Band Ein rundherum tolles Land den ich aber noch nicht gelesen habe. Ich denke das wird Herbstlektüre.

Joachim Gauck: Winter im Sommer – Frühling im Herbst

Joachim Gauck wurde 1940 in Rostock geboren, er studierte Theologie und war viele Jahre als evangelischer Pfarrer tätig. Von 1990 bis ins Jahr 2000 war er der erste Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit, soviel erstmal zur oberflächlichen Vita von Joachim Gauck.
In diesem Buch geht es um seine Kindheit und Jugend in der noch nicht “verschlossenen” DDR und dann als großen Sprung um sein Leben und die nicht vorhandene Akzeptanz für den Staat DDR, im folgenden um den Umbruch und letztlich den Untergang des Unrechtsstaates. Was mich in diesem Buch so beeindruckt ist zum einen der innere und äußere Widerstand von Gauck gegenüber dem Staat und das nicht hadern mit seinem Leben in der DDR. Zum anderen sind es die kleinen Geschichten von Menschen die auf ihre Weise „Chuzpe“ gezeigt haben und dem Staat widerstanden haben, zum Beispiel Frau Beyer. Frau Beyer wollte am 13 Dezember 1981 unbedingt den Bundeskanzler Helmut Schmidt sehen, der zu Besuch in der ostdeutschen Stadt Güstrow war. Die Staatssicherheit hat die ganze Stadt abgeriegelt damit keine unliebsamen Sympathiebekundungen für Schmidt seitens der Bevölkerung aufkommen. Frau Beyer verlangte an diesem Tag eine Fahrkarte nach Güstrow, der Schalterbeamte sagte ihr dass an diesem Tag kein Zug nach Güstrow fährt, sie antwortete schnippisch: „Ich habe Sie nicht gefragt ob ein Zug fährt, sondern ich habe um eine Fahrkarte gebeten“. Der Schalterbeamte sagte: „Wozu brauchen Sie eine Fahrkarte, wenn kein Zug fährt?“ Frau B: „Das ist meine Sache. Ich möchte eine Fahrkarte nach Güstrow kaufen“.

In Güstrow angekommen, marschierte Frau Beyer geradewegs in Richtung Marktplatz, notgedrungen mitten auf der von leichtem Schneematsch bedeckten Fahrbahn, denn auf den schmalen Bürgersteigen standen Schulter an Schulter Volkspolizisten. »Wohin wollen Sie? Der Aufenthalt auf der Straße ist verboten«, versuchte ein Mann in Zivil sie aufzuhalten, der sich aus den Reihen der Polizisten gelöst hatte und auf sie zugeeilt war. Frau Beyer konterte: »Frage ich Sie etwa, was Sie hier machen?« Der Mann in Zivil erkundigte sich nicht einmal mehr nach ihrer Legitimation, obwohl nur Anwohner, Mitglieder der Staatssicherheit und Journalisten Zugang zum weiträumig abgeriegelten Areal hatten. Wer mit solcher „Kaltschnäuzigkeit“ auftrat konnte nur selbst von der Stasi sein. Frau Beyer erreichte ihr Ziel: Zwar konnte sie dem Bundeskanzler nicht die Hand schütteln, aber sie hat ihn durch einen Ring von Sicherheitsbeamten wenigstens leibhaftig gesehen. Das war für sie ein großer Triumph.

Genau diese Geschichten haben mich in diesem Buch sehr angerührt. Frau Beyer, Ulrike und zig andere beschriebene Personen die immer im kleinen ihren Widerstand deutlich gemacht haben, trotz großer Angst vor Repressalien stark waren. Die Lektüre dieses Buchs hat mir einmal mehr vor Augen geführt, was für ein Unrechtsstaat die DDR war, auch wenn heute viele in die sogenannte Ostalgie verfallen. Wenn Menschen heute sagen: »Unrechtsstaat? Es war doch nicht alles schlecht am Sozialismus!« und glänzende Augen bekommen wenn sie nur DDR hören, dann sollten sie dieses Buch lesen und so erfahren wie unmenschlich und verachtenswürdig dieses System von Angst und Unterdrückung war.

Die SED preiste beständig die Menschlichkeit des sozialistischen Systems an, in ihrem Verhalten war die Arroganz der Übermächtigen aber so grenzenlos, dass sie vor keiner Missachtung der Persönlichkeitsrechte zurückschreckten und, wenn es keinen anderen Weg zum Ziel zu geben schien, wie kriminelle Erpresser auftraten.

Im letzten Kapitel geht es um die ganz persönliche Freiheit die Joachim Gauck für sich definiert, dafür noch einmal ein direktes Zitat aus dem Buch, das mir wieder vor Augen geführt hat in was für einem bemerkenswerten Land ich lebe.

»Wo ich jetzt lebe«, so höre ich mich sagen, »möchte ich sein, aber ich kann immerfort auch gehen. Wo ich jetzt lebe, habe ich Grundrechte, garantiert durch die Verfassung: Gewissensfreiheit, Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit, die Freiheit der Berufswahl, Versammlungsfreiheit, Forschungs- und Veröffentlichungsfreiheit. Wo ich jetzt lebe, gründen Menschen von sich aus Vereine, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Parteien und übernehmen Verantwortung in ihnen. Kritik, Diskurs und Dissens gelten als Normalfall der politischen Kultur und nicht als politisch-ideologische Diversion, Untergrundtätigkeit oder politische Straftat. Wo ich jetzt lebe, existiert die Herrschaft des Rechts, notfalls kann ich meine Rechte auch einklagen. Es gibt den freien Markt, aber auch ein soziales Netzwerk – wer bedürftig ist, erfährt Unterstützung. Und seit mehr als sechzig Jahren hat dieses Land kein anderes überfallen, es lebt mit allen Nachbarn in Frieden.

Ich kann das Buch nur empfehlen, es ist für Menschen die politisch und historisch interessiert sind, geschrieben. Winter im Sommer – Frühling im Herbst ist im Siedler Verlag erschienen.