Der Bücherblog

Archiv für die Kategorie 'Genre'

Frank Goosen: So viel Zeit

Vier Mittvierziger beschließen bei einer ihrer Doppelkopfrunden den alten Jugendtraum von einer Rockband wahr werden zu lassen!

Nachdem sie früher dicke Schulkumpel waren verbindet sie heute nur noch das Kartenspiel (das ich selber ja genauso wenig verstanden habe wie Skat). Ansonsten hat jeder sein eigenes Leben und seine eigenen Probleme. Konni ist Lehrer, seine Frau hat ihn kürzlich erst verlassen und für einen anderen mit dem nicht ganz fertigen Haus sitzen lassen, Bulle ist Witwer und allein erziehender Vater von zwei ziemlich vorlauten Mädchen. Rainers Frau ist krankhaft eifersüchtig, obwohl er ihr immer treu war hat sie ihn ständig in Verdacht fremdzugehen und Thomas ist ein erfolgloser Schriftsteller der sich mit Texten für „pornographische Literatur“ über Wasser hält.

Als sie schließlich tatsächlich anfangen zu proben stellen sie schnell fest dass etwas fehlt: die Energie der Musik. Selbst die einfachsten Songs klingen nicht so wie es sein sollte! Schließlich wird ihnen klar das vor allem der richtige Frontmann fehlt: Ole, damals schon der coolste Typ der Schule und ein dicker Kumpel.

Da der mittlerweile – ziemlich abgebrannt – in Berlin lebt, machen sie sich auf den Weg um ihn dort zu überrumpeln und zurück ins Ruhrgebiet mehr oder weniger zu entführen. Dann macht die Band endlich Fortschritte und man setzt sich als ehrgeiziges Ziel beim anstehenden 25-jährigen Abi-Treffen aufzutreten. Bis dahin ist aber noch viel zu tun und, teilweise angestoßen durch die neue Tätigkeit in einer Rockband, einige Höhen und Tiefen zu durchleben.

Wie gesagt: Viel zu tun, also lesen, lesen, lesen. Denn das Buch ist wirklich lustig und trotzdem hintersinnig geschrieben und wer Rockmusik mag oder sogar selbst mal in einer Band gespielt oder immer davon geträumt hat, der wird sich sicherlich in dem einen oder anderen wieder erkennen. Fazit des Buches ist natürlich Träume nicht Dein Leben sondern lebe Deinen Traum und auch wenn dieser Spruch schon recht abgedroschen ist, im Buch ist das ganze frisch und unverbraucht nachzulesen.

Neil Gaiman: Anansi Boys

Anansi ist der Spinnengott, ein Trickser, ein Possenreißer, ein bunter Vogel der Geschichten und Lieder liebt. Er spielt mit Vorliebe Streiche bei denen ihm seine große Überzeugungskraft hilft, seine Streiche sind nicht immer harmlos und so hat er sich damit nicht immer nur Freunde gemacht.

Als er beim Karaoke singen einen Tod stirbt wie er eines Anansis würdig ist hinterlässt er einen Sohn namens Charles, von allen nur Fat Charlie genannt. Dieser Sohn ist das genaue Gegenteil seines Vaters, er führt ein möglichst langweiliges Leben und alles bringt ihn in Verlegenheit. Vor allem sein Vater ist ihm peinlich, so dass er froh ist dass er mit seiner Mutter schon vor Jahren aus den USA nach England ausgewandert ist – ohne Anansi. Dass sein Vater ein Gott ist ahnt er nicht, er erfährt es erst als der verstorben ist. Die frühere Nachbarin Mrs. Higgins erzählt ihm außerdem, dass er einen Bruder namens Spider hat. Wenn er den sehen möchte, so Mrs. Higgins, dann soll er es einer Spinne sagen. Fat Charlie glaubt ihr kein Wort.

Im Scherz versucht er es dann doch und tatsächlich taucht sein Bruder bei ihm auf! Der ist wie sein Vater in Extremform und sofort macht er sich in Fat Charlies Leben breit. Obwohl er ganz anders aussieht kann er jeden davon überzeugen er wäre Charlie, er bringt diesen so um seinen Job und „übernimmt“ seine Verlobte. Als er beim Versuch Spider wieder loszuwerden in einer Art Ritual, durchgeführt von Mrs. Higgins, in die Welt der Tiergötter gerät und dort um Rat sucht, trifft er eine Abmachung mit der Vogelfrau. Doch zurück in England merkt er schnell dass die ihre eigenen Ziele verfolgt und er jetzt erst recht Probleme hat.

In der Mitte des Buches macht die Geschichte dann ein paar unerwartete Wendungen und Fat Charlie eine erstaunliche Entwicklung durch, die lest ihr aber bitte selber nach.

Anansi wird oft als Fortsetzung von American Gods bezeichnet, das trifft aber nicht ganz zu. Nur das Konzept von Göttern die in Menschengestalt in der modernen Welt leben ist hier weitergesponnen worden, ansonsten haben die beiden Romane keine inhaltlichen Gemeinsamkeiten.

Anansi Boys ist meiner Meinung nach zugänglicher und leichter zu lesen, die Geschichte ist rasant und spannend geschrieben und das lesen macht richtig, richtig Spaß. Daher: Absolute Kaufempfehlung!

Neil Gaiman: American Gods

Inhalt

In diesem Buch tummeln sich die verschiedenen Götter der alten Religionen in Menschengestalt im heutigen Amerika. Einige gehen Berufen nach wie der blutrünstige slavische Kriegsgott der in einer Schlachterei arbeitet, oder die nordische Fruchtbarkeitsgöttin die sich als Prostituierte von ihren Freiern huldigen lässt.

Andere ziehen sich entweder zurück wie der ägyptische Horus der fast nur noch in Falkengestalt umherfliegt, oder gehen anderen Geschäften nach – wie Mr. Wednesday. Der germanische Gott Wotan/Odin zieht jetzt unter diesem Namen durch die Welt und tut was er immer getan hat, er spinnt geheimnisvolle Intrigen, immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Aktuell versucht er den neuen Göttern Amerikas, Geld, Konsum und Medien nicht das Feld räumen zu müssen und sucht sich für die bevorstehenden Aufgaben einen Gehilfen.

Die Wahl fällt auf Shadow, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wird um zu erfahren dass seine geliebte Frau Laura bei einer Autofahrt mit ihrem Liebhaber ums Leben kam. Er stellt sich in den Dienst von Mr. Wednesday als eine Art Handlanger und ahnt dabei nicht dass er im großen Showdown, der Götterschlacht mitten im Herzen der USA eine Schlüsselrolle spielen wird.

Hintergründe

Neil Gaiman hat mit American Gods ein einfaches aber wirkungsvolles Konzept umgesetzt: Was wenn die Götter alter Religionen nicht einfach verschwunden sind sondern unerkannt unter uns weilen – so wie die Außerirdischen in Men in Black.

In das Buch muss man sich vielleicht ein bisschen reinlesen, gerade wenn man mit den Mythen alter Völker nicht vertraut ist. Allerdings beschreibt der Autor das so bildhaft, dass auch der Laie sich zurechtfinden wird. Wenn man sich vorher aber mit dem Thema schon auseinander gesetzt hat, dann findet man viele kleine Details die zeigen wie sorgfältig Gaiman das Feld der Mythologie bearbeitet und verarbeitet hat.

Allein der Name Mr. Wednesday ist ein gutes Beispiel, ist doch dieser englische Wochentagsname selbst nach dem Gott benannt (Wednesday = Wodanstag)! Auch die Art wie Mr. Wednesday hier sein Netz aus Intrigen aufbaut und dabei Freund und Feind zu seinem Nutzen gegeneinander ausspielt kommt einem seltsam bekannt vor, wenn man schon mal in den nordischen Sagen gelesen hat. Und Shadow nimmt in diesem Roman die Rolle des Sagenhelden ein der Odin als Werkzeug dient, von ihm mit Aufgaben betraut und in Abenteuer gestürzt wird.

Fazit

Mit American Gods hat Neil Gaiman ein tolles, modernes Götterepos geschrieben, das ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack aber im Zweifelsfall: Einfach reinlesen und dem Buch eine wohlverdiente Chance geben.

Zur Zeit lese ich die lose Fortsetzung Anansi Boys, wenn ich damit durch bin gibt es dazu natürlich auch noch eine Rezension.

Edit: Die Rezension zu Anansi Boys ist online!

F. G. Klimmek: Ein Fisch namens Aalbert

Der Detektiv und Aal aus dem Rhein-Herne-Kanal namens Aalbert ermittelt vor allem in harmlosen Beschattungs-Aufträgen. Doch auf einmal begegnet er einer Reihe äußerst seltsamer Gestalten wie dem eher einfach gestrickten Riesenhecht Harry der frisch aus dem Knast entlassen wurde und nun seine alte Liebe Wilma sucht, oder dem dicken Fisch Liebskind mit seinem Partner die auf der Suche nach einer kostbaren schwarzen Statuette sind. Dann tauchen auch noch die sauber zerstückelten Leichen diverser Fische auf, die offenbar alle Opfer eines brutalen Serienkillers wurden.
Und mitten drin Aalbert der nach und nach immer mehr Verbindungen zwischen diesen Fällen erkennt und dabei zunehmend selbst in Gefahr gerät.

Der Inhalt dieses Buches würde eine normale Detektivgeschichte abgeben, wenn das ganze nicht im Rhein-Herne-Kanal unter Fischen und Fröschen spielen würde. Das feuchte Milieu ermöglicht dem Autor Wendungen und Pointen die sonst in einem solchen Kriminalroman natürlich nicht möglich wären und so wird das ganze durchaus zu einem kurzweiligen Lesevergnügen. Das ganze ist jetzt keine große Literatur aber es lässt sich angenehm nebenher lesen.

Haruki Murakami: Schlaf

Protagonistin in Murakamis Buch „Schlaf“ ist eine Frau, sie hat englische Literatur studiert und ist jetzt Zahnarztfrau, ihr Leben ist total unspektakulär und belanglos bis sie eines Tages aufhört zu schlafen. Das Buch beginnt mit einleitenden Worten die beschreiben, dass sie seit 17 Tagen nicht mehr geschlafen hat. Im folgenden erzählt sie wodurch diese Schlaflosigkeit ausgelöst wurde und wie sie damit umgeht. Ihre Schlaflosigkeit ist keine Schlafstörung im eigentlichen Sinne, sie ist nicht müde und sie ist physisch und psychisch voll aufnahmefähig. Sie führt ein paralleles Leben, am Tag geht sie ihren Pflichten als Zahnarztfrau und Mutter nach. In der Nacht wenn ihr Mann und ihr Sohn schlafen beschäftigt sie sich mit Dingen die in ihrer Vergangenheit eine große Rolle gespielt haben, zum Beispiel lesen. Sie gewöhnt sich wieder an Schokolade zu essen und ab und zu ein Glas Cognac zu trinken obwohl sie mit beiden Sachen ihrem Mann zuliebe aufgehört hat.

Die Schlaflosigkeit wird durch eine Art Vision ausgelöst, wobei nicht ganz klar wird ob es sich um einen Traum, eine Halluzination oder die Realität handelt. Sie sieht am Fußende ihres Bettes einen kleinen, relativ alten, eingefallenen Mann der ihr mittels eines Tonkruges der sich nie zu leeren scheint unaufhörlich Wasser auf die Füße gießt.

Das Buch wird mit einer sehr eigentümlichen Szene beendet, wobei hier nicht ausführlich auf das gesehene eingegangen wird und das Buch mit dieser Szene abrupt endet. Dadurch kann man kaum sagen ob tatsächlich ein reales Ereignis beschrieben wird.

So, jetzt meine Meinung zum Buch, ehrlich gesagt weiß ich nicht ob mir das Buch gefallen hat oder nicht. Ich finde das ganze Buch sehr skurril und in einigen Abschnitten auch gruselig, in manchen Szene habe ich gedacht es wird eine Menschmaschine beschrieben die immer funktioniert oder eher funktionieren muss und die dann sozusagen einen Pakt mit dem Teufel eingeht um wieder etwas mehr Mensch sein zu erfahren. Sie ist das funktionieren leid und flüchtet sich in ein anderes Dasein. Sie hat nur für das Wohlergehen ihres Mannes und ihres Sohnes gelebt und darüber hinaus ihr eigenes wenn auch nahezu vergangenes Leben vergessen.  Alles was sie einmal ausgemacht hat und was sie hinten angestellt hat, drängt sich jetzt wieder mehr in den Vordergrund. Für mich ist die Frau total durchgeknallt und dem Wahnsinn verfallen.

Ich kann nicht sagen ob man das Buch lesen sollte oder nicht. Das einzige was ich sagen kann, seit dem ich das Buch ausgelesen habe mache ich mir Gedanken darüber und das ist, wie ich meine, das Beste was ein Autor schaffen kann.

Das Buch ist bei Dumont Buchverlag erschienen.