Der Bücherblog

Archiv für die Kategorie 'Genre'

David Foster Wallace: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich.

Wer nach der Lektüre dieses Buches noch eine Kreuzfahrt machen möchte, ist selber schuld.

Ich habe einen knallroten Jogginganzug gesehen, mit extrabreitem Revers. Ich habe erfahren wie Sonnenmilch riecht, wenn sie auf 21.000 Pfund heißes Menschenfleisch verteilt werden. Ich habe einen dreizehnjährigen Jungen gesehen, der ein Toupet trug, ich war Zeuge wie eine Frau in Silberlamee einen gläsernen Aufzug von innen flächendeckend vollgekotzt hat. Ich habe Gepäckstücke und Sonnenbrillen in schreienden Neonfarben, Hosenanzüge in blasslila, Sakkos von menstrualem Rosa und braun-violette Trainingsanzüge gesehen. Ich habe erwachsene US-Bürger aus dem gehobenen Mittelstand gehört, die am Info-Counter wissen wollten, ob man beim Schnorcheln nass wird und ob die Crew ebenfalls an Bord schläft. Ich habe mich sogar (wenn auch nur kurz) in eine Conga-Polonaise eingereiht.

Wallace wurde von der Zeitschrift Harpers Magazin beauftragt ein Feature über Kreuzfahrten zu schreiben und dies hat er auf sehr komische Art und Weise getan.

Der einzige Wermutstropfen in diesem Buch sind die Fußnoten, sie gehen über Seiten und ich frage mich dann immer was das für einen Sinn hat, mich stören sie in meinem Lesefluss. Ich werde ständig von irgendwelchen Zahlen unterbrochen und muss am Ende der Seite oder des Kapitels nachschauen welche geistigen Ergüsse sich hinter den Zahlen verbergen.

Am besten finde ich das 13. und letzte Kapitel des Buches in welchem Wallace einen ganzen Tag an Bord der Nadir beschreibt. Er hat wirklich alles gemacht: Skeetschießen, Tischtennisturniere, Schachturniere gegen ein hochbegabtes Blag und so weiter und sofort und das ist so lustig erzählt das ich zeitweise das Buch weg gelegt habe, weil ich durch das viele Lachen heulen musste. Zusammenfassend kann ich eine absolute Leseempfehlung aussprechen.

David Foster Wallace hat sich leider im September 2008 das Leben genommen.

Das Buch ist im Mare Verlag erschienen.

Oscar Wilde: Das Gespenst von Canterville

Eine der lustigsten, auf jeden Fall aber die sprachschönste aller Gespenstergeschichten ist The Canterville Ghost, wie sie im englischen Original heißt. Darin wird das Gespenst, dass seit 300 Jahren das Anwesen der Familie Canterville bespukt selbst heimgesucht: eine amerikanische Familie hat das Anwesen aufgekauft und bezogen.

Der Käufer, Herr Otis, hat beim Verkaufsgespräch Lord Canterville bereits darauf aufmerksam gemacht, dass er keinesfalls bereit ist an Geister zu glauben und so geht er über alle noch so eindeutigen Hinweise auf einen Spuk hinweg. Seine beiden ungezogenen Söhne dagegen begegnen dem Gespenst schon bald persönlich, drehen den Spieß sofort um und treiben es mit ihren Streichen und Boshaftigkeiten zur Verzweiflung. Jeder Spuk der den englischen Adel zu Tode erschrecken konnte wird von den Eltern als „ganz bestimmt logisch erklärbar“ abgetan, so werden immer wiederkehrende Blutflecken Tag für Tag mit „Pinkerton’s Champion Stain Remover“ entfernt, bis den Geist die Farbe ausgeht und so weiter.

So entwickelt sich die Geschichte schnell zu einer amüsanten Auseinandersetzung zwischen englischer und amerikanischer Mentalität die erst durch die Tochter der amerikanischen Familie, Virginia, beendet wird, diese begegnet dem verzweifelten Gespenst auf den Fluren des Anwesens, hört sich seine Geschichte an und sucht mit ihm gemeinsam nach einem Ausweg: der Erlösung des Geistes von seinem Fluch.

Die Geschichte lässt sich auch gut auf englisch lesen, daher ist die Abbildung oben auf eine zweisprachige Fassung verlinkt.

Das Buch ist auch als familientaugliche Komödie verfilmt worden, hier das ganze auf DVD:

Absolute Kaufempfehlung für das Buch und auch den Film!

Leonie Swann: Glennkill

Der Schäfer liegt tot auf der Weide, in ihm steckt ein Spaten. Nach einer ersten Unruhe in seiner Herde fassen sich die Schafe und beschließen unter der Führung von Miss Maple, dem klügsten Schaf von Glennkill, den Täter zu ermitteln. Der Schäfer hatte ihnen jeden Abend vorgelesen, einmal auch einen Krimi, daher glaubt Miss Maple gut vorbereitet zu sein.

Die Sache gestaltet sich natürlich doch recht schwierig, da die Schafe viele Personen aus der Menschenherde gar nicht oder nur flüchtig kennen und erst mal herausfinden müssen welche Rolle sie spielen. Dass gerade der Metzger ihnen bei den Ermittlungen immer wieder über den Weg läuft macht die Sache nicht einfacher und auch der Mann der immer ganz in schwarz gekleidet ist und von den anderen scheinbar „Gott“ genannt wird ist den Schafen verdächtig.

Dieses Buch schwimmt auf der Welle von tierischen Ermittlern die zur Zeit wohl in Mode sind, da ermitteln Katzen, dort Fische und hier sind es Schafe. Ich hab bisher nur zwei solcher Bücher gelesen, fand aber beide unterhaltsam und lustig geschrieben, bei Glennkill war meiner Meinung nach das Konzept mit den Schafen gut umgesetzt. Die Schafe als Herdentiere, als Fluchttiere, ermitteln gemeinsam und versuchen aus ihrer Sicht die Herde der Menschen zu durchschauen. Alles in Allem eine nette Feierabendunterhaltung von der mittlerweile auch eine Fortsetzung namens Garou erschienen ist.

Miriam Pielhau: Fremdkörper

Miriam Pielhau beschreibt in dem Buch ihren Umgang mit der Diagnose Brustkrebs und das auf eine sehr ermutigende und starke Weise. Sie lässt den Leser und die Leserin an ihrem Leben ein Stück weit teilhaben und erklärt wie schwer es ist die Kontrolle abzugeben. Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die klare Sprache. Sie beschönigt nichts  und verzichtet vollends auf eine blumige Sprache, sie benennt die Dinge so wie sie sind, ohne wenn und aber. Für sie ist das Joggen eine Hilfe mit dem Brustkrebs und den Folgen der Chemotherapie fertig zu werden, sie macht dem Leser aber klar, dass ihre Art der Verarbeitung nicht die allgemein gültige ist.

Das ganze Buch vermittelt in jeder Zeile Hoffnung und den absoluten Willen zu überleben. Das sieht man schon daran, dass sie in Woche 22 nach Beginn der Chemotherapie einen Halbmarathon läuft!

Ich habe beim Lesen des Buches ganz viel geweint, oft aus Mitgefühl doch mehr noch vor Freude. Ich habe Miriam Pielhau immer nur als Eins live Moderatorin und schlimmer noch als Big Brother Moderatorin erlebt aber nach der Lektüre diese Buches sehe ich sie als ganz anderen Menschen. Sehr sympathisch und stark aber auch oft unheimlich schwach, was aber okay ist weil sie klar macht das es nicht schlimm ist schwach zu sein.

Ich kann das Buch nur empfehlen – warum? weil es Hoffnung und Optimismus verbreitet.

Fremdkörper ist im mvgverlag erschienen.

Gordon Dahlquist: Die Glasbücher der Traumfresser

Dies ist ein Buch über eine Verschwörung die den Machthunger und die erotischen Phantasien der Menschen ausnutzt um sie gefügig zu machen. Eine Gruppe sehr unterschiedlicher Personen schaffen es durch ein alchemistisches Verfahren Erinnerungen von Menschen in Karten und ganze Bücher aus seltsamem blauem Glas zu bannen. Wenn man in dieses Glas schaut kann man diese Erinnerungen dann hautnah miterleben, sie ist für den Betroffenen aber verloren. Die Menschen die nach dem Verfahren behandelt werden verändern sich dabei, sie werden ganz den Verschwörern untertan und unterwerfen sich ihrem Willen.

Die Ziele die dabei verfolgt werden bleiben lange undurchsichtig, zumal die einzelnen Verschwörer neben den gemeinsamen Zielen auch eigene verfolgen. Dadurch kommen sie sich nach und nach immer mehr in die Quere, vor allem als sie durch drei Störenfriede aufgescheucht werden.

Diese Störenfriede sind die Guten in der Geschichte: Miss Temple ist von ihrem Verlobten verlassen worden und möchte herausfinden wieso, sie folgt ihm und gerät dadurch in den Sog der Ereignisse, da er sich als einer der Verschwörer herausstellt. Der finstere „Kardinal Chang“, ein Mann der sich für die verschiedensten Aufgaben verpflichten lässt, erhält den Auftrag für einen Mord. Als der ihm auf mysteriöse Weise abgenommen wird forscht er nach und gerät in Konflikt mit unseren Bösewichtern. Schließlich ist da noch der deutsche Arzt, der den Sohn des Herzogs von Mecklenburg begleitet hat und der seine Pflicht den jungen Mann zu schützen – vor allem vor der eigenen Dummheit – sehr ernst nimmt. Als der scheinbar entführt wird macht er sich auf die Suche und läuft Miss Temple und Kardinal Chang über den Weg. Die drei verbünden sich und versuchen gemeinsam heraus zu bekommen was vor sich geht und in wie hohe gesellschaftliche Kreise die Verschwörung reicht.

Das ganze Buch erstreckt sich über zehn Kapitel die in der oben abgebildeten Ausgabe in zehn Einzelbänden untergebracht sind, die gemeinsam im Pappschuber daherkommen. Diese Aufmachung macht was her, das ganze ist allerdings zumindest beim großen Onlineanbieter nicht billig und lässt sich in der örtlichen Buchhandlung oder gebraucht für die Hälfte bekommen, zum Beispiel bei abebooks.de oder ZVAB (siehe die Links unter dem Artikel).

Die ganze Geschichte ist eine Mischung zwischen Krimi, Thriller, Abenteuerroman und Fantasy, durch die Rolle die erotische Fantasien in der Vorgehensweise der Verschwörer und in ihrem alchemistischen Verfahren spielt bekommt das Buch auch noch eine Erotikkomponente, die allerdings meist ins verruchte bis perverse abgleitet, schließlich ist sie hier auf der Seite der Bösen.

Die Idee des Buches ist recht originell, es lässt sich über große Teile auch sehr gut lesen, ich fand es zwischendurch aber auch etwas langatmig und schwierig den Überblick zu behalten über die vielen Personen und Zusammenhänge. Es soll natürlich auch alles schön mysteriös klingen, aber die Aufdeckung der Zusammenhänge durch unsere Protagonisten geht über lange Strecken sehr langsam voran und der Leser tappt derart im Dunkeln dass es doch etwas verworren wirkt. Insgesamt ist es jedoch abenteuerlich und spannend genug um damit eine angenehme Lesezeit zu verbringen.

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